11. Oktober – Mitte Oktober 1944
Auf der deutschen Seite beschließen die Generäle Brandenberger und Straube, den für den Bereich Vossenack-Schmidt verantwortlichen Generalleutnant Schmidt durch die Entsendung einer unabhängigen Kampfgruppe in Regimentstärke zu unterstützen. Oberst Helmuth Wegelein, der bis dahin die Heeresunteroffiziersschule in Saarlautern geleitet hatte, traf mit seinem etwa 2.000 Mann starken Kommando in der Nacht zum 12. Oktober 1944 im Kampfgebiet ein. Das Führungspersonal bestand aud kriegserfahrenen Offizieren und Feldwebeln, die Mannschaften aus Offizier- und Unteroffizierschülern im Alter von etwa 18 Jahren. Die Ausrüstung bestand aus Maschinengewehren, mittleren und schweren Mörsern.
Der Angriff erfolgte um 7 Uhr am Morgen des 12. Oktober 1944 auf dem bewaldeten Plateau zwischen dem Wehetal und der Verbindungsstraße Hürtgen-Germeter (heute B 399) in südlicher Richtung. Das Ziel war es, die amerikanische Linie Wehe-Germeter zu unterbrechen und die Amerikaner ins Wehetal zurück zu werfen. Trotz gute Anfangserfolge gelang es dem „Regiment Wegelein“ auch in einem zweiten Angriff am Nachmittag nicht, die Amerikaner zurück zu treiben. Bei diesen Kämpfen verliert das Regiment nicht nur 500 Soldaten, sondern auch seinen Kommandeur und Namensgeber Wegelein wird getötet. Die Reste der nunmehr führerlosen Einheit werden in die 275. Grenadierdivision integriert.
Obwohl das ursprüngliche Kampfziel nicht erreicht wurde, hatte der Einsatz doch erhebliche Auswirkungen insofern, als den amerikanischen Kommandanten klar geworden war, dass ein Vormarsch in Richtung Vossenack und Schmidt ohne wirksame Flankendeckung nicht machbar war. Deshalb wurde dieses Vorhaben auf später verschoben.
Der damalige Unteroffiziersschüler Tham-Joachim von Pflugk war zeitweise in der Einheit Wegeleins und hat den Angriff im Hürtgenwald mit gemacht. Hier ein Auszug aus seinem Bericht:
Interessant war, dass wir in ca. 2 km Entfernung über ein Tal hinweg die Amerikaner sahen, und wir konnten nichts machen. Sie fuhren in langen Kolonnen parallel zu unserer Bunkerlinie. Wir lagen auf der einen Seite, und über ein breites Tal sahen wir die Amerikaner auf der anderen Seite. Wir hatten keine Waffen, um sie zu bekämpfen. Das war im Herbst 1944. Im Wald von Hürtgen starteten wir einen Angriff. Bei Tage konnten wir uns auf keiner Straße bewegen, weil die Lufthoheit bei den Feinden lag. Sie kamen mit den Lightnings, die eine ungeheure Feuerkraft hatten und im Tiefflug alles beschossen, was sich bewegte. Wir waren in diesen Angriff involviert. Bisher war der Krieg für uns eine Art Spiel, wir hatten noch nichts Ernsthaftes erlebt. Wir liefen vom Waldrand über ein Wiesenstück, um auf der anderen Seite wieder in den Wald hinein zu laufen. Dort aber hatte sich der Feind getarnt. Sichtbar war das nicht. So erlebte ich das erste Mal den Ernstfall. Mein Kamerad neben mir wurde in den Bauch getroffen. Wir hörten ihn stöhnen und schreien, mussten aber weiter laufen. Aus lauter Schreck und Schock haben wir uns erst einmal hingelegt. Da schrie einer: „Da hinten laufen die Amis ja!“ Sofort liefen wir heldenhaft hinterher, ohne über die Gefahr nachzudenken. Wir kamen ein ordentliches Stück in dem Wald vorwärts und sahen eine Stelle, an der die Amerikaner einen Lagerplatz hatten. Wir fanden Kisten mit Verpflegung und Munition. Ich entdeckte einen handtellergroßen Kloß Butter auf dem Waldboden, der ringsherum mit Tannennadeln bedeckt war. Zuerst wusste ich gar nicht, was das sein könnte, aber dann war die überraschung groß. Natürlich freute ich mich über die Butter, und die Dosen haben wir auch alle mitgenommen. Wir stellten fest, dass die Amerikaner viel praktischer ausgerüstet waren als wir. Die Dosen waren relativ klein. Wenn wir eine Dose schüttelten und sie dann klapperte, wussten wir, dass darin Pulverkaffee, Kekse, Schokolade oder Zigaretten waren. Was nicht klapperte, enthielt Fertiggerichte oder Dosenfleisch. Die Amerikaner sind so schnell vor uns geflüchtet, dass sie alles liegen ließen: Koppel, Munition und Waffen. Hätten wir das gemacht, wären wir vor das Kriegsgericht gekommen.
Unser Befehl lautete: „Weiter vorrücken!“ Plötzlich kam ein Melder mit dem Befehl, dass wir nicht vorrücken, sondern uns eingraben sollten, was wir im Wald versuchten, aber das war nicht so einfach. Wir hatten zu zweit einen Spaten, einen kurzen Klappspaten, wie die Soldaten ihn heute noch haben, und im Wald mit den vielen Baumwurzeln ergab dies ein Problem, das sich dramatisch zuspitzte, weil die Amerikaner mit ihren Tieffliegern, nicht wissend, wo wir waren, den Wald „abharkten“, also blind in den Wald hinein schossen. Wir haben uns quasi um den Spaten gekloppt, um zu graben und vor den Angriffen der Tiefflieger ein wenig Schutz zu haben. Wir lagen am Waldrand. Von links und rechts war wie ein Weg durch die Wälder eine Lichtung, sehr schmal. Die Lichtung traf wie ein stumpfer Winkel genau an der Stelle zusammen, an der wir uns eingruben. Etwa 50 m entfernt vor uns lagen die Amerikaner, die wir aber nicht bemerkt hatten. Sie schossen in beide Seiten der Lichtung, und weil sie teilweise Leuchtspur-Munition verwendeten, konnte ich genau erkennen, von welcher Stelle aus geschossen wurde. Also legte ich meinen Karabiner in Schussrichtung, zielte und drückte mehrfach ab. Daraufhin hörte das gegnerische Schießen auf. Natürlich war ich neugierig – wie eben ein Anfänger – und steckte meinen Kopf aus meiner Kuhle etwas heraus. Ein kriegserfahrener Soldat hätte das nicht riskiert. Ich wurde beschossen und handelte mir einen Streifschuss an der rechten Schulter ein. Das tat höllisch weh, war aber nicht gefährlich und sah aus wie die Narbe einer Pockenimpfung.
Dann kam plötzlich der Führerbefehl, dass alle Offiziersbewerber aus der Einheit herauszuziehen und zur Sammelstelle zu schicken sind. Das war für die zurückbleibenden Soldaten sehr schmerzhaft, weil sie dadurch in ihrer Verteidigung sehr geschwächt wurden. Die Kampfgruppe – das erfuhr ich später – wurde aufgerieben. Auf der Sammelstelle hinter der Front erhielten wir Marschbefehle zu unseren Einheiten. Ich ließ mir meinen Marschbefehl für meine Einheit in Schröddersburg ausstellen. Ich wusste, dass diese Einheit wohl eigentlich nicht mehr dort stationiert sein konnte, denn Schröddersburg liegt an der Weichsel, und dort waren schon die Russen. Aber ich dachte, ich könnte vielleicht einen Kurzbesuch bei meinem Vater in Chemnitz einplanen, der dort als Offizier beim Wehrbezirkskommando war. Als ich in Chemnitz am Bahnhof eintraf, wurde ich von einem sog. „Kettenhund“ (= Wehrmachtspolizei) angehalten, zeigte meinen Marschbefehl vor und sagte, ich wolle beim Wehrbezirkskommando fragen, wo meine Einheit jetzt sei, weil ich gehört hätte, dass sie nicht mehr in Schröddersburg sein könne. Aber der Kettenhund setzte mich sofort in den nächsten Zug nach Dresden. Dort besuchte ich dann wenigstens meine Oma und telefonierte nach Hause, um ein Lebenszeichen von mir zu geben.
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Streckendaten | |
Schwierigkeit | Normal |
Länge | 6,9 km |
Dauer | 2 Std. |
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